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Wann fühlen sich homo- + bisexuelle Personen (LGB) in Beratung/Therapie wohl?



Während meinem Studium (2011-2016) in angewandter Psychologie habe ich erfahren, dass Homo- und Bisexualität bis zum Jahre 1992 im internationalen Klassifikationssystem (ICD) der WHO (Weltgesundheitsorganisation) als psychische Erkrankung galt. Erst danach wurde Homosexualität als Krankheit im Klassifikationssystem gestrichen.

Damit begann eine neue Epoche in der Geschichte der Beratung von homosexuellen Personen. In der Beratung/Therapie ist nicht mehr die Veränderung der sexuellen Orientierung das Ziel, sondern eine affirmative (bejahende) Beratung und Psychotherapie für Lesben und Schwule. Aus den psychiatrischen Klassifikationssystemen wurde die Homosexualität als psychische Erkrankung zwar gestrichen aber aus dem allgemeinen Sprachgebrauch noch längst nicht. Heterosexismus, Homophobie, Formen antihomosexueller Gewalt, internalisierte Homophobie und vielfältige Diskriminierungsformen erschweren noch heute das Leben von LGB.

Es erstaunt daher nicht, dass LGB mehr psychologische Beratung in Anspruch nehmen als der Rest der Bevölkerung. Mich interessierte, was es denn benötigt, damit sich genau diese Bevölkerungs-Gruppe in Beratung/Therapie wohl und willkommen fühlen.

Dieser Frage bin ich in meiner Bachelor- und auch später zum Teil in meiner Masterabeit nachgegangen. Es hat sich herausgestellt, dass LGBs in einigen Bereichen allgemeine Anliegen haben, in welchen sie sich nicht von heterosexuellen Personen unterscheiden lassen. Es gibt aber offensichtlich spezifische Aspekte, welche sich aus ihrer sozialen Situation ableiten lassen und berücksichtig werden sollen:

Rechtliche Hürden ​Beratende sollen wissen, dass es nach wie vor rechtliche Hürden gibt. Die rechtliche Unbeständigkeit kann Ängste in LBGs auslösen. Eingetragene Partnerschaften, das Erbrecht, das Testament wie auch das Auskunftsrecht für eine Partnerin oder einen Partner im Spital sind Themen. Somit werden weiterführende, psychosoziale Kompetenzen von beratenden Personen erwartet.

Gesundheit und Krankheit

Die Promiskuität bei Männern mit dem dazugehörigen Gesundheitsrisiko ist ein wichtiges Thema. Es wäre vielleicht in der Vergangenheit und auch heute weniger ein Thema gewesen, wenn Bekannt- und Partnerschaften offen hätten ausgelebt werden dürfen. Eine allfällige Diskriminierung in Institutionen (Bsp. Alters- und Pflegeinstitutionen etc.), unter mehrheitlich heterosexuellen Personen und Pflegepersonal, kann vorkommen.

Partnerschaft

Beratende sollen wissen, dass Partnerschaften ohne Rollenmodelle gelebt werden. Klassische Rollenverteilungen existieren häufig nicht. Auch die Sexualität wird anders gelebt.

Trauer

LGBs können über ein nicht gelebtes Lebensmodell trauern, wie etwa ein nicht gelebter Kinderwunsch bei Frauen. Früher war es gesellschaftlich noch weniger akzeptiert, Kinder in LGB-Partnerschaften grosszuziehen als heute. Männer trauern über den Verlust der physischen Attraktivität und damit hergehend die kleinere Chance jemand neuen kennen zu lernen.

Gesellschaftliche und politische Situation als LGB

Dass es zu Ausgrenzung und zu Diskriminierungen im Leben von LGBs kommen kann, sollen Beratende wissen. Internalisierte Homophobie und Homophobie generell treten auf.

Es ist deshalb wichtig, dass Beratende und Therapierende geschult werden, um die Sensibilität zu entwickeln, nicht ausschliesslich von Heterosexualität auszugehen, sondern auch andere Formen sexueller Orientierung in Betracht zu ziehen. LGB sollen sich wohl fühlen und Offenheit erleben.

Deshalb heisse ich vor allem auch LGB-Menschen in meiner Beratung willkommen.


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